Entwurf, Konzept, Ausführung: Mechthild Lobisch, Gauting 1990/91
Gelbe Halbpergamentbroschur mit aufgesetzten Sandwichdeckeln aus leuchtend gelbem Schafleder und grau geschwämmeltem Rindlederm, sichtbare Heftung durch den gelben Pergamentrücken Schlammgraue Ganzgewebekassette mit curryfarbenem F-Color-Papier. Zweifarbig geprägter Rückentitel
Georg Baselitz: Malelade
41 Farb- und Schwarz/Weiß Radierungen auf Zerkallbütten
80 nummerierte und signierte Exemplare
davon 10 von A-J mit einer signierten Suite
auf Richard-de-Bas-Bütten in zwei Kassetten
10 Exemplare von I-X hc
60 Exemplare von 11-60
Michael Werner, Köln und New York 1990
730 x 520 mm
MALELADE
80 x 48 + 48 x 52 x 73 cm
Aus einundvierzig großformatigen Radierungen auf kräftigem Papier 80 Bücher zu binden, die nicht nur für den Betrachter funktionstüchtig sind, sondern auch für den Buchbinder arbeitstechnisch realisierbar, war eine Herausforderung.
Zu Malelade ist viel geschrieben worden. Doch wie wurden die bedruckten Blätter zum Buch? Selbst hinter einem äußerlich eher simpel erscheinenden Einband steht, neben viel Vorstellungsvermögen, ein technisch/formales Repertoire. Damit ein Werk entsteht, braucht es, wie für die Drucke, so auch für den Einband, Mitwirkende, die verstehen, worauf es ankommt. Die Aufgaben haben sie nicht aus Ehrfurcht vor dem Baselitzwerk gelöst, sondern meine Anforderungen dank ihres handwerklichen Könnens und Wissens erfüllt. Eine normale Buchheftung und das Einhängen in eine Einbanddecke aus überzogener Pappe war weder handwerklich sinnvoll, noch ästhetisch angemessen.
Georg Baselitz stellte sich Postgelb vor. Dafür wurde feines Schafleder für die Außenseite des Einbands leuchtend gelb eingefärbt. Mit Schuhsohlenleder zusammenkaschiert, ergibt es feste, leicht biegsame Deckel. Der Naturton des Rindleders wurde lasierend mit schwarzer Beize gebrochen. Ein Rücken aus gelb gefärbtem Kalbspergament, verbindet beide Lederdeckel.
Um die Einzelblätter heften zu können, wurden sie zu Doppelbogen zusammengehängt und zweifach ineinandergesteckt. Diese Lagen sind einzeln in den mit Heftlöchern versehenen Pergamentrücken geheftet. Die stabile Gewebekassette bietet Geschlossenheit, schützt das schwere Buch und macht es transportabel.
Dank leistungsfähiger Kollegen, Zulieferer und Handwerker, konnten die Einbände 1990-91 in jeweils überschaubaren Stückzahlen ausgeführt werden. Das gelbe Leder kam aus Paris, die Rindernacken von Schuro aus München. Der Pergamenter Wildbrett in Bobing färbte die Pergamente. Hilfs- und Zwischenlagematerial kam von Anton Glaser, Stuttgart und Pappen Römer, München. Das Buckramgewebe für die Kassetten stammt von Bamberger Kaliko und das Papier F-Color 9000 lieferte Gebr. Schabert aus Strullendorf. Die schweren Kassetten baute der junge Kollege Raymund Henrich, die Typografie verdanke ich Philipp Luidl, die Typowerkstatt Prenzel & Schubert lieferte Satz und Film für die Prägeklischees. Das Münchner Familienunternehmen Der Gilch prägte die zweifarbigen Rückenschilder.
Und nicht zuletzt; ohne meine umsichtige Assistentin, Christine Zech, hätten die umfangreichen Bindearbeiten mit allem was dazugehört, kaum bewältigt werden können. Angeregt von den Sätzen und Bildern folgten wir mit Humor und Ernst – neben der äußerst konzentrierten Arbeit – unseren vielfältigen Assoziationen. Zwischen Spott und Bewunderung haben wir Gedanken und Gedankenbilder zu Georg Baselitz und seinen Radierungen ausgetauscht und festgehalten.
Neben Sortieren, Schneiden, Färben, Kleisterkochen, Kleben, Kaschieren, Einpressen, Auspressen, Umschichten, Aufstellen, Auslegen, Löcherstanzen, Vorstechen, Heften …, wurden Arbeits- und Zustandsfotos geknipst.
Angesichts der unendlich vielen Arbeitsschritte, wird es kaum jemanden auf der Welt geben, der jede einzelne Radierung öfter betrachtet und in der Hand gehabt hat, als wir. Mindestens achthundertachzig mal.
Aus Dokumentiertem und Angesammeltem entstand die HOMMAGE à MALELADE als 3,8 m lange Wandzeitung in fünf fotokopierten Exemplaren. Sie ist Bestandteil des ersten Andruckexemplars, das einst der Prototyp war und das Buch 1996/97 zu meinen Ausstellungen in München, Mainz und Leipzig begleitete.
Michael Werner und Georg Baselitz bekamen meine HOMMAGE-À-MALELADE-WANDZEITUNG jeweils als Geschenk übereicht.
Mechthild Lobisch im August 2024